Die oberbayerischen Violetten sind dem Bündnis „STOP TTIP München“ beigetreten

Die Verhandlungen über das „Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen“ (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) zwischen der Europäischen Union und den USA haben das Ziel, die größte Freihandelszone der Welt zu schaffen. Das TTIP sieht einen umfassenden Abbau von „Handelshemmnissen“ vor; außerdem sollen Investitionen vor staatlichen Eingriffen der jeweils anderen Seite „geschützt“ werden. Ziel ist die Vereinheitlichung und gegenseitige Anerkennung von Regulierungen der Wirtschaft, sowie eine möglichst frühzeitige Koordinierung von die Interessen der Wirtschaft betreffenden Gesetzesvorhaben. Das Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA genannt, soll bereits unterschriftsreif sein; gleich TTIP enthält es zahlreiche inakzeptable Deregulierungen.

Stop TTIP
Neoliberale Deregulierungen werden immer mit angeblichem Wirtschaftswachstum und den damit verbundenen „Wohlstandsgewinnen“ gerechtfertigt. Für international tätige Großkonzerne und Großbanken mag es solche „Gewinne“ geben, doch die meisten Bürger und Bürgerinnen werden vor allem Nachteile und Verluste zu gewärtigen haben. Dies gilt noch mehr für die Menschen im globalen Süden.
Welches sind unsere wichtigsten Einwände?

1. Der Verbraucherschutz wird ausgehöhlt
Gemäß der Logik des neoliberalen „Washingtoner Konsenses“ (1990) soll der Verbraucherschutz dereguliert werden. Dadurch soll angeblich Wirtschaftswachstum erzielt werden. Bisher gilt in der EU für viele Stoffe eine Kennzeichnungspflicht, sowie ein weitgehendes Verbot von gentechnisch veränderten Pflanzen. Für die USA stellt dies ein Handelshemmnis dar, das zum Nutzen von Großkonzernen abgeschafft werden soll. Eine ganze Reihe von in der Landwirtschaft verwendeten Wachstumshormonen, z.B. Ractopamin, sind gesundheitsschädlich. In der EU gilt das Prinzip der Vorsorge, also der Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit; in den USA wird erst im Nachhinein (wenn überhaupt) die Schädlichkeit festgestellt.

2. TTIP gefährdet den Schutz regionaler Wirtschaftskreisläufe und Spezialitäten
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) erklärte im Januar 2015 nach einem Gespräch mit dem US-Handelsbeauftragten Michael Froman klipp und klar, nach TTIP könnten Münchner Bier oder Nürnberger Bratwürste nicht länger als regionale Produkte geschützt werden. „Wenn wir die Chance eines freien Handels mit dem riesigen amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen“, so der Minister. Wenn der Weltmarkt die oberste Richtlinie ist, gehen die Regionen vor die Hunde. Wir treten für regionale Wirtschaftskreisläufe und eine bäuerliche Landwirtschaft ein, die ökologische Standards beachtet.

3. TTIP führt zu einer zunehmenden Gefährdung der Umwelt
Das Abkommen würde dazu führen, dass in den USA erlaubte Stoffe und Verfahren ohne erneute Prüfung auch in der EU einsetzbar wären. In der EU wurde nach langen Kämpfen die REACH-Richtlinie zur Kontrolle chemischer Stoffe durchgesetzt. Chemikalien, die in Landwirtschaft und Industrie zum Einsatz kommen, z.B. Herbizide oder Pestizide, sind häufig krebserregend oder schädigen die Fruchtbarkeit. TTIP befördert die Interessen der Agrarindustrie, die den Markt mir Massenware überschwemmt und dabei Biodiversität und Vielfalt schädigt bzw. vernichtet. In vielen Ländern der EU gilt ein Verbot von Fracking, (Freisetzung von Öl und Gas aus Schiefergestein mittels Wasser und Chemiecocktails), das durch TTIP unterlaufen werden könnte.

4. TTIP gefährdet die öffentliche Daseinsvorsorge
Die Versorgung der Bürger und Bürgerinnen mit Wasser, Strom und Energie, sowie der öffentliche Nahverkehr und das Gesundheitswesen sind in der EU in erheblichem Maße reguliert. Europäische und US-Konzerne versuchen schon lange, möglichst viele dieser Bereiche zu privatisieren, vor allem auch das Wasser. In aller Regel führt aufgrund der Profitlogik zu einem Absenken der Qualität und einem Anstieg der Preise. Wir meinen, dass diese Bereiche in öffentlicher Hand bleiben müssen, wobei die Kontrolle durch die Bürger und Bürgerinnen ausgebaut werden muss.

5. TTIP gefährdet die Rechte von Arbeitnehmern
In den USA gilt weitgehend die Devise „hire and fire“; Schutzrechte für abhängig Beschäftigte sind weitgehend unbekannt. Von den grundlegenden Standards der ILO (Internationale Arbeitsorganisation der UNO) haben die USA gerade mal zwei unterschrieben. Als Volkswagen im vergangenen Jahr in einem Werk im Süden der USA Betriebsratswahlen ansetzen wollte, wurde der Konzern vom Gouverneur des Staates gestoppt.

6. TTIP verschärft die Zerstörung der Landwirtschaft des Südens
Die Freihandelszone zwischen EU und USA würde fast die Hälfte des weltweiten Brutto-Sozial-Produktes umfassen. Dadurch würden zahlreiche Standards der übrigen Welt, vor allem dem Süden, faktisch aufgezwungen. Hierdurch wären international tätige Multis deutlich im Vorteil. Schon heute zerstört die hoch subventionierte Landwirtschaft der EU und der USA durch ihre Billigexporte von Massengütern (z.B. Hähnchen oder Mais) die Landwirtschaft in zahlreichen Entwicklungsländern. Die ihrer Existenzgrundlage beraubten Bauern versuchen dann häufig, als Flüchtlinge in den Norden zu gelangen. Wir treten ein für einen fairen Handel, der soziale und ökologische Rechte und Standards beachtet, und der Kleinproduzent_innen faire Lebenschancen gibt.

7. TTIP unterläuft demokratische Entscheidungen und die öffentliche Justiz
Die Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen wurden im Geheimen geführt; die Texte gelangten nur durch „undichte Stellen“ an die Öffentlichkeit. Dies widerspricht grundlegenden demokratischen Standards, denn nur eine informierte Öffentlichkeit kann sinnvoll über die sie betreffenden Fragen entscheiden.
Außerdem sieht TTIP ein Klagerecht von Konzernen gegen Staaten vor sogenannten „Schiedsgerichten“, die im Geheimen tagen, vor, in denen vor allem Juristen großer internationaler Anwaltskanzleien sitzen und durch nichts legitimierte Entscheidungen treffen. Hier handelt es sich um eine private Paralleljustiz, die demokratischen Grundsätzen eklatant widerspricht. Wir haben bereits zahlreiche Beispiele für Klagen von Konzernen gegen Staaten wegen entgangener Profite, weil sich die Rechtslage zu ungunsten von Konzernen geändert hatte. TTIP sieht im Übrigen vor, dass einmal aufgehobene Regulierungen nicht wieder eingeführt werden dürfen.

8. Was ist TISA?
Seit Frühjahr 2013 verhandelt die EU mit den USA und 21 weiteren Staaten von Mexiko bis Südkorea über ein gesondertes Dienstleistungsabkommen. Durch ein solches Abkommen soll angeblich die Beteiligung von „Entwicklungsländern“ am Welthandel gesteigert werden. Es geht um die Kommunikationstechnologie und die Finanzdienstleistungen, vor allem aber um eine mögliche Privatisierung der Gesundheitsdienste, der Bildung, der Wasser- und der Energieversorgung. Die EU-Kommission behauptet wahrheitswidrig, ein Zwang zu Privatisierungen würde durch TISA nicht entstehen. Eine deutliche Mehrheit der Menschen in diesem Land lehnt die Freihandelsabkommen ab. Doch viele denken, „die da oben“ würden eh entscheiden, wie sie wollten. Die Aushöhlung demokratischer Rechte befördert die Politikverdrossenheit.

Wir meinen, dass wir TTIP zu Fall bringen können, wenn sich überall in Europa möglichst viele Menschen aktiv an den Protesten und Kampagnen beteiligen. Dies wäre auch ein großer Schritt voran in einem Europa „von unten“, einem demokratischen Europa der Bürger und Bürgerinnen .Wir sollten nicht vergessen: TTIP hatte einen Vorläufer, das MAI (multilaterales Investitionsabkommen), das 1998 durch den massiven Widerstand vieler Menschen, vor allem in Frankreich und Kanada, zu Fall gebracht wurde. Auch diesmal haben die Regierung die die Konzerne den Widerstand der Bevölkerung gewaltig unterschätzt. Doch nur ein langer Atem kann die Abkommen verhindern!

Das Bündnis STOP TTIP München hat sich im Herbst 2014 gegründet. Es besteht aktuell aus 24 Mitgliedsorganisationen, Parteien, Verbände und Vereinigungen, sowie aus Einzelmitgliedern. Mitglieder können alle Organisationen werden, die keine antidemokratischen usw. (Grundsätze ergänzen) und die die geplanten Freihandelsabkommen ablehnen. Es koordiniert sich mit den zahlreichen anderen, in Bayern (und darüber hinaus) bestehenden STOP-TTIP-Bündnissen.
Das Bündnis beteiligte sich an der Unterschriftenaktion der selbstorganisierten europäischen Bürgerinitiative, die bislang über 1,5 Mio. Unterschriften in EU-Ländern gesammelt hat. Das im Lissabon-Vertrag vorgesehene Quorum (eine Million Unterschriften in mindestens sieben Ländern) wurde weit übertroffen; die Aktion wird aber bis in den Herbst hinein fortgeführt. Seite des Bündnis Stop TTIP München: http://stop-ttip-muenchen.de/

Am globalen Aktionstag gegen TTIP, dem 18. April 2015 demonstrierten in München 23 000 Menschen; damit war die Münchner Demonstration die größte in ganz Europa!

Für den 10. Oktober 2015 ist eine Großdemonstration in Berlin geplant. Auch dafür wird unser Bündnis einen wichtigen Beitrag leisten.

Demo in Berlin

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